Die Chemieindustrie verwendet wenige Rohstoffe, um daraus zehntausende unterschiedliche Produkte herzustellen. Der Löwenanteil der chemischen Produktion nimmt ihren Anfang in einem sogenannten Steamcracker. Mit Hilfe von Dampf (engl. „steam“) wird hier Rohbenzin (Naphtha), das aus langen Kohlenwasserstoffketten besteht, aufgespalten (von engl. „to crack“ spalten). Dabei entstehen kürzere Moleküle, die Grundbausteine für die weitere Produktion. Dazu gehören etwa Wasserstoff, Methan, Ethen und Propen, die hauptsächlich zu Kunststoffen, Lacken, Lösungsmitteln oder Pflanzenschutzmitteln verarbeitet werden.
Das Massenbilanz-Prinzip funktioniert wie beim Ökostrom: Obwohl der Verbraucher nicht weiß, ob exakt der Strom, den er im eigenen Haushalt verbraucht, direkt aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde, steigt doch der Anteil von ökologisch erzeugtem Strom im Gesamtnetz mit der Nachfrage. Bei der Herstellung der Styrolschaumstoffe Neopor®, Styropor® und Styrodur® im Massenbilanzverfahren - ChemCycling™ oder dem Biomassenbilanz-Ansatz - werden recycelte oder biobasierte Rohstoffe am Anfang in die Produktion eingespeist und rechnerisch den Endprodukten zugeordnet. Das kalkulatorische Prinzip bietet Vorteile für die chemische Industrie: Treibhausgasemissionen werden reduziert und fossile Rohstoffe eingespart, während Produktqualität und -eigenschaften gleichbleiben. Die Produkte lassen sich genauso weiterverarbeiten wie herkömmlich hergestellte Stoffe. So müssen weder Formulierungen noch Anlagen oder Prozesse angepasst werden. Auch der Kunde, der massenbilanzierte Produkte kauft, kann sie wie gewohnt einsetzen und profitiert von der gleichen Qualität.
Unabhängige Institute auditieren die Allokation, also die rechnerische Zuordnung, des nachhaltigen Rohstoffs zum Endprodukt. Allerdings wenden die Experten bisher noch unterschiedliche Methoden, sogenannte Standards, für die Auditierung und Zertifizierung an.
Der Massenbilanz-Ansatz am Beispiel des Biomassenbilanz-Verfahrens